Entwicklung des Kaders von Januar bis Juni 1954

 
 
 
   
 

 

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Innerhalb von fünf Monaten veränderte der potentielle Nationalmannschafts-Kader für die Weltmeisterschaft 1954 mehrmals sein Gesicht. Hoffnungen zerbarsten manchmal so plötzlich, wie sie geweckt worden waren. Verletzungen taten ihr übriges. Wenngleich Herberger gerne die Bevorzugung einzelner Vereinsmannschaften vorgeworfen wurde, was bei rund 80 Vereinen ohne Unterstützung des Fernsehens logistisch auch gar nicht anders möglich gewesen wäre, so tauchen in diesen frühen Namenslisten doch immer wieder Clubs auf, die nicht zu seinem Einzugsgebiet zählten.


(I) Der 44er-Kader (11. Januar 1954)

Folgendes Rundschreiben schickte Herberger an den "Spielerkreis der Nationalmannschaft", der sich aus vielen bereits erprobten und einigen aufstrebenden Neulingen zusammensetzte:

Liebe Kameraden!

Am vergangenen Mittwoch war ich in Madrid. Dort sah ich Spanien - Türkei. Ihr wisst, um was es dabei ging.

Spanien gewann glatt und verdient mit 4 : 1. Ich bin fest davon überzeugt, dass Spanien in der Schweiz dabei sein wird, obwohl das Spiel in Madrid schon einen Vorgeschmack von dem gegeben hat, was die spanische Mannschaft beim Rückspiel in Istanbul erwartet.

Unser Interesse gilt also der Mannschaft Spaniens. Sie wird unser erster Gegner sein. Ihn müssen wir aus dem Weg räumen, wollen wir weiterkommen. Das wird nicht leicht sein, das wissen wir, aber wir können es schaffen!

Spanien verfügt über eine erstklassige Mannschaft, die ebenso gut und gefährlich im Angriffspiel, wie stark und erfolgreich in der Abwehr ist. Unsere Mannschaft steht aber hierin der spanische Mannschaft keineswegs nach, ja, ich möchte behaupten, dass wir ihr - an einem unserer guten Tage -, voraus und überlegen sind. Nun liegt es ganz an uns, dafür zu sorgen, dass wir zum Zeitpunkt unseres Treffens gegen Spanien für einen solchen guten Tag bestens vorgesorgt haben!

In einem Punkte allerdings dürften wir den Spaniern zur Zeit noch unterlegen sein. Das ist im Kopfspiel! Auffallend und eindrucksvoll waren sie hierin den Türken spielend überlegen. Uns dürfen sie es nicht sein! Dafür wollen wir sorgen!

Deshalb nehmt ab sofort das Kopfballspiel als bevorzugte Übung in euer Trainingsprogramm auf. Übt euch in allen Spielarten des Kopfballspiels. Geht dabei aber wohl bedacht und zielstrebig vor, so, die ihr es aus den Lehrgängen kennt. Zuerst und immer wieder gilt unser Bemühen der Gewinnung einer ausgefeilten Kopfballtechnik. Dann kommt der Sprung zum Ball an die Reihe, der zeitlich so abgesetzt erfolgen muss, dass man gewissermaßen hoch in der Luft stehend den Ball erwartet. Nur wer den Sprung zum Ball und die Technik des Stoßes beherrscht, wird ein Meister des Kopfballspiels.

Inzwischen wünsche ich euch allen viel Glück und Erfolg in den laufenden Punktespielen Eures Vereins!

Im Januar oder Februar, komme ich zu Besuch in euer Vereinstraining.

Bis dahin, in alter Verbundenheit!

Euer Sepp Herberger



Das Rundschreiben erging an folgende Spieler (Die Namen in Kursivschrift sollten im nächsten Kader nicht mehr dabei sein):

TOR Turek (Fortuna Düsseldorf), Herkenrath (Rot-Weiss Essen), Geissler (SpVgg. Fürth), Kubsch (FK Pirmasens), Klemm (FSV Frankfurt), Kwiatkowski (Borussia Dortmund), Bögelein (VfB Stuttgart)

RECHTER VERTEIDIGER Retter (VfB Stuttgart), Juskowiak (Fortuna Düsseldorf), Deinert (Tennis Borussia Berlin), Rössling (VfR Mannheim)

LINKER VERTEIDIGER Bauer (FC Bayern München), Kohlmeyer (1.FC Kaiserslautern), Laband (HSV), Erhardt (SpVgg. Fürth)

RECHTER LÄUFER Eckel (1.FC Kaiserslautern), Metzner (KSV Hessen Kassel), Pfeiffer (Alemannia Aachen), Mebus (1.FC Köln), Bergner (1.FC Nürnberg)

MITTELLÄUFER Posipal (HSV), Liebrich (1.FC Kaiserslautern), Hutfles (KSV Hessen Kassel), Wewers (Rot-Weiss Essen)

LINKER LÄUFER Mai (SpVgg. Fürth), Schanko (Borussia Dortmund), Harpers (SV Sodingen), Brüggen (FC St.Pauli), Gottinger (SpVgg. Fürth)

RECHTSAUSSEN Rahn (Rot-Weiss Essen), Klodt (Schalke 04), Hellwig (KSV Hessen Kassel)

RECHTER HALBSTÜRMER Morlock (1.FC Nürnberg), Stollenwerk (1.FC Köln), Weilbächer (Eintracht Frankfurt)

MITTELSTÜRMER Ottmar Walter (1.FC Kaiserslautern), Schade (SpVgg. Fürth), Kreß (Eintracht Frankfurt)

LINKER HALBSTÜRMER Fritz Walter (1.FC Kaiserslautern), Pfaff (Eintracht Frankfurt), Röhrig (1.FC Köln)

LINKSAUSSEN Schäfer (1.FC Köln), Herrmann (FSV Frankfurt), Termath (Rot-Weiss Essen)

Unter ihnen befanden sich bereits 21 der späteren WM-Teilnehmer.




(II) Der 53er-Kader (8. März 1954)

Der "Kicker" veröffentlichte knapp zwei Monate später folgende Liste, die aus DFB-Kreisen stammen musste, wenngleich das nicht ausdrücklich formuliert wurde. Die Zeitschrift sprach von "Nationalelf-Meteoren", die sich plötzlich und unvermutet als Kandidaten für die Weltmeisterschaft aufdrängten. Die Aussicht auf solch eine Chance ließ einige Spieler vor Ehrgeiz brennen und über sich hinauswachsen.

Überall gebe es hervorragenden Nachwuchs, nur in der Verteidigung nicht, war das Fazit von Dr. Friedebert Becker, dem Herausgeber, zu dem Herberger ein sehr gutes Verhältnis gehabt haben soll. Der Druck auf die vermeintlich etablierten Kräfte nahm dadurch zu. Besonders Toni Turek musste immer wieder lesen, wer ihm alles im Nacken saß.

(In Kursivdruck die Namen, die in diesem Jahr zum ersten Mal genannt wurden.)

TOR Turek (Fortuna Düsseldorf), Herkenrath (Rot-Weiss Essen), Geissler (SpVgg. Fürth), Kubsch (FK Pirmasens), Klemm (FSV Frankfurt), Kwiatkowski (Borussia Dortmund)

RECHTER VERTEIDIGER Retter (VfB Stuttgart), Deinert (Tennis Borussia Berlin), Bauer (FC Bayern München), Ertel (FK Pirmasens)

LINKER VERTEIDIGER Kohlmeyer (1.FC Kaiserslautern), Laband (HSV), Erhardt (SpVgg. Fürth)

RECHTER LÄUFER Eckel (1.FC Kaiserslautern), Metzner (KSV Hessen Kassel), Lang (Bremerhaven 93), Pfeiffer (Alemannia Aachen), Mebus (1.FC Köln), Brüggen (FC St. Pauli)

MITTELLÄUFER Posipal (HSV), Liebrich (1.FC Kaiserslautern), Hutfles (KSV Hessen Kassel), Meinke (HSV), Wewers (Rot-Weiss Essen)

LINKER LÄUFER Mai (SpVgg. Fürth), Schanko (Borussia Dortmund), Harpers (SV Sodingen), Gottinger (SpVgg. Fürth), Lang (Schweinfurt 05)

RECHTSAUSSEN Rahn (Rot-Weiss Essen), Klodt (Schalke 04), Ernst (Straubing), Kaufhold (Offenbacher Kickers), Siegel (VfR Mannheim)

RECHTER HALBSTÜRMER Morlock (1.FC Nürnberg), Laszig (Schalke 04), Weilbächer (Eintracht Frankfurt), Kraus (Kickers Offenbach), Schweinberger (1. FC Nürnberg)

MITTELSTÜRMER Ottmar Walter (1.FC Kaiserslautern), Schade (SpVgg. Fürth), Biesinger (BC Augsburg), Kreß (Eintracht Frankfurt)

LINKER HALBSTÜRMER Fritz Walter (1.FC Kaiserslautern), Röhrig (1.FC Köln), Pfaff (Eintracht Frankfurt), Wade (Kickers Offenbach), Islacker (Rot-Weiß Essen), Lettl (Bayern München)

LINKSAUSSEN Herrmann (FSV Frankfurt), Schäfer (1.FC Köln), Termath (Rot-Weiss Essen)

Davon entstammten der Oberliga Süd: 25, West: 15, Südwest: 7, Nord: 5 und Berlin: 1 Spieler. (23 Spieler verfügten dabei noch nicht über internationale Erfahrung.) Aus diesen 53 rekrutierten sich die zwei Kader für das B-Länderspiel am 24.03. gegen England und für das Qualifikationsspiel am 28.03. gegen das Saarland.

Eine Woche später wurde Herbert Schäfer von den Sportfreunden Siegen nachnominiert, womit der Kader auf 54 (!) Spielern anwuchs! Zu diesem Zeitpunkt befand sich niemand von Hannover 96 darunter, obwohl diese Mannschaft mit acht Punkten Vorsprung die Oberliga Nord anführte.




(III) Der 40er-Kader (3. Mai 1954)

Seit der letzten Namensliste wurden die Länderspiele gegen das Saarland und die Schweiz gewonnen. Hinzu kamen zwei Auftritte der B-Auswahl gegen England und die Schweiz. In diesen Spielen und den davor liegenden Lehrgängen hatten sich die 54 bewähren können oder nicht. Meteore hatten sich als Sternschnuppen erwiesen. Verletzungen spielten erneut eine Schlüsselrolle. Schwache Form im Verein, bzw. schwache Platzierung in der Oberliga von bereits erprobten Kräften bedeutete nicht automatisch das "Aus" in der Nationalmannschaft. Wenn Herberger von einem Spieler überzeugt war, dann hielt er auch an ihm fest und gab ihm eine Chance.

40 Spieler wurden vom DFB offiziell für die WM gemeldet. Ein Kreis, der bis zum 6. Juni auf maximal 22 Spieler eingekocht werden musste:
(Die Namen in Kursivschrift sollten im nächsten Kader nicht mehr dabei sein):

TOR Turek (Fortuna Düsseldorf), Kubsch (FK Pirmasens), Kwiatkowski (Borussia Dortmund), Herkenrath (Rot-Weiss Essen), Geissler (SpVgg. Fürth)

RECHTER VERTEIDIGER Retter (VfB Stuttgart), Deinert (Tennis Borussia Berlin), Ertel (FK Pirmasens)

LINKER VERTEIDIGER Bauer (FC Bayern München), Kohlmeyer (1.FC Kaiserslautern), Laband (HSV), Erhardt (SpVgg. Fürth)

RECHTER LÄUFER Eckel (1.FC Kaiserslautern), Metzner (KSV Hessen Kassel), Pfeiffer (Alemannia Aachen), Mebus (1.FC Köln)

MITTELLÄUFER Posipal (HSV), Liebrich (1.FC Kaiserslautern), Baumann (1.FC Nürnberg), Herbert Schäfer (Sportfreunde Siegen)

LINKER LÄUFER Mai (SpVgg. Fürth), Harpers (SV Sodingen), Gottinger (SpVgg. Fürth), Röhrig (1.FC Köln)

LINKSAUSSEN Schäfer (1.FC Köln), Herrmann (FSV Frankfurt)

LINKER HALBSTÜRMER Fritz Walter (1.FC Kaiserslautern), Pfaff (Eintracht Frankfurt), Wade (Kickers Offenbach), Waldner (VfB Stuttgart)

MITTELSTÜRMER Ottmar Walter (1.FC Kaiserslautern), Biesinger (BC Augsburg), Schade (SpVgg. Fürth), Zeitler (VfB Bayreuth), Traub (Karlsruher SC)

RECHTER HALBSTÜRMER Morlock (1.FC Nürnberg), Weilbächer (Eintracht Frankfurt), Gerritzen (Preußen Münster)

RECHTSAUSSEN Rahn (Rot-Weiss Essen), Klodt (Schalke 04)




(IV) Der 29er-Kader (Mitte Mai 1954)

Die folgenden Spieler tauchten in zwei Anreisewellen am 24. Mai, einen Tag nach dem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, in der Sportschule München-Grünwald auf, um innerhalb von zehn Tagen Kondition zu bolzen, Blessuren zu beseitigen und am Mannschaftsgeist zu arbeiten, der für die Schweiz so bedeutsam werden sollte. Ein letztes Mal wurden Spieler ausgesiebt (Kursivdruck). Dann stand die Reisegruppe fest.

TOR Turek (Fortuna Düsseldorf), Kubsch (FK Pirmasens), Kwiatkowski (Borussia Dortmund)

RECHTER VERTEIDIGER Deinert (Tennis Borussia Berlin)

LINKER VERTEIDIGER Bauer (FC Bayern München), Kohlmeyer (1.FC Kaiserslautern), Laband (HSV), Erhardt (SpVgg. Fürth)

RECHTER LÄUFER Eckel (1.FC Kaiserslautern), Metzner (KSV Hessen Kassel), Mebus (1.FC Köln)

MITTELLÄUFER Posipal (HSV), Liebrich (1.FC Kaiserslautern), Herbert Schäfer (Sportfreunde Siegen), Baumann (1.FC Nürnberg)

LINKER LÄUFER Mai (SpVgg. Fürth), Harpers (SV Sodingen), Gottinger (SpVgg. Fürth)

LINKSAUSSEN Schäfer (1.FC Köln), Herrmann (FSV Frankfurt)

LINKER HALBSTÜRMER Fritz Walter (1.FC Kaiserslautern), Pfaff (Eintracht Frankfurt), Röhrig (1.FC Köln)

MITTELSTÜRMER Ottmar Walter (1.FC Kaiserslautern), Biesinger (BC Augsburg)

RECHTER HALBSTÜRMER Morlock (1.FC Nürnberg), Weilbächer (Eintracht Frankfurt)

RECHTSAUSSEN Rahn (Rot-Weiss Essen), Klodt (Schalke 04)




(V) Der 22er-Kader nach Grünwald (2. Juni 1954)


Wieder ein Rundschreiben:

Liebe Sportkameraden!

Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu können, daß Sie zum Kreis der Spieler gehören, die den Deutschen Fußball-Bund in der Weltmeisterschaft in der Schweiz vertreten sollen. Für diese Reise in die Schweiz geben wir Ihnen nachfolgend alle erforderlichen Einzelheiten bekannt, die wir genau zu beachten bitten. Wir hoffen gerne, daß wir Sie bei guter Gesundheit und wohl vorbereitet auf die kommenden Aufgaben am Mittwoch, den 09.06.1954 in der Sportschule Schöneck erwarten dürfen, und verbleiben mit sportlichen Grüßen!

Deutscher Fußball-Bund i.A. Passlack

Zusatz: Wie bereits besprochen, werden alle einberufenen Spieler gebeten, bezüglich ihrer Freistellung vom Arbeitsplatz die erforderlichen Schritte zu unternehmen. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß die Spieler nur für die Zeit Anspruch auf Zahlung ihres Verdienstausfalles haben, in der sich die Mannschaft im Wettbewerb befindet.



TOR Turek, Kubsch, Kwiatkowski

RECHTER VERTEIDIGER

LINKER VERTEIDIGER Bauer, Kohlmeyer, Laband, Erhardt

RECHTER LÄUFER Eckel, Metzner, Mebus

MITTELLÄUFER Posipal, Liebrich

LINKER LÄUFER Mai

LINKSAUSSEN Schäfer, Herrmann

LINKER HALBSTÜRMER Fritz Walter, Pfaff

MITTELSTÜRMER Ottmar Walter, Biesinger

RECHTER HALBSTÜRMER Morlock

RECHTSAUSSEN Rahn, Klodt

Das Doppelbesetzungsprinzip Herbergers wird hier noch einmal deutlich, wenngleich die Ausnahme die Regel bestätigt. Drei Torhüter zu nominieren entsprang wohl einer traditionellen Sicherheitsmaßnahme. Der verwaiste rechte Verteidigerposten (wenngleich Bauer beim 53er-Kader dort geführt wurde) spricht dafür, dass ein guter Linksverteidiger auf diesem Posten mehr wert war als ein nicht ganz so guter Rechtsverteidiger. Metzner und Mebus waren links wie rechts einsetzbar. Und wiederum Metzner aber auch Fritz Walter konnten neben Morlock den Halbrechten geben. (Und im ersten Ungarn-Spiel übernahm sogar Eckel diesen Part.)


 

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