Obwohl allein 1.054 Redakteure und Zeitungsreporter sowie 129 Fotoreporter aus über 50 Nationen eine Akkreditierung für die Weltmeisterschaft in der Schweiz erhielten und ihre Verdienste in der Berichterstattung via Tageszeitung unbestritten sind, und obwohl auch die Wochenschauen einen erheblichen Anteil daran hatten, dass Millionen von Menschen die Tore dieser WM später zu Gesicht bekommen konnten, und wenngleich schließlich das Medium Fernsehen in diesen Tagen einen Siebenmeilenschritt in die eigene Zukunft machte und besonders in Deutschland den Durchbruch in der Akzeptanz bei der Bevölkerung erreichte, möchten wir den größten Verdienst für die erfolgreiche und über reine Nachrichtenübermittlung hinausgehende Medienarbeit im wesentlichen vier Männern zusprechen: dem Radiokommentatorenquartett Kurt Brumme (NWDR Köln), Gerd Krämer (SDR), Rudi Michel (SWF) und Herbert Zimmermann (NWDR Hamburg).
Unter der Führung von Redakteur Josef Kirmaier (BR) und Teamchef Robert E. Lembke (BR), der später mit der Ratesendung "Was bin ich?" Kultstatus erlangen sollte, bezogen diese Vier ihr WM-Quartier im Hotel Waldhaus Risch in Risch am Zuger See. Lembke teilte die Spiele gleichmäßig auf, und die Vier schwärmten in eigenen PKWs in die Stadien aus. Im Hinblick auf das Kommentieren der deutschen Spiele wurde eine Reihenfolge ausgelost. So kam es, dass Brumme Deutschland-Türkei aus Bern, Zimmermann Deutschland-Ungarn aus Basel und Michel das Wiederholungsspiel Deutschland-Türkei aus Zürich übertrug. Da die nächste Runde erreicht wurde, kam auch Krämer in Genf mit Deutschland-Jugoslawien zu seinem Recht. Danach begann die Reihe wieder von vorne, Brumme kommentierte das Halbfinalspiel gegen Österreich aus Basel und Zimmermann das Endspiel aus Bern. Die Anderen wurden mit den übrigen Begegnungen entschädigt, so Krämer mit der Übertragung des Spiels um Platz 3
Österreich-Uruguay.
Zusätzlich kamen die Vier manchmal auch als Fernsehkommentatoren zum Einsatz, was aber aufgrund des damaligen Standes der Technik — es gab noch keine Magnetaufzeichnungsmöglichkeiten - nicht für die Ewigkeit erhalten werden konnte. Der hauptamtliche Sprecher der Fernseh-Direktübertragungen für die westdeutschen Zuschauer hieß allerdings Dr. Bernhard Ernst (NWDR Köln). Zusammen mit dem Schweizer Jean-Pierre Gerwig (SRG Zürich) kommentierte er auch das Finale.
Aus gesamtdeutscher Sicht muss der Kreis erweitert werden: der Rundfunk der DDR wartete mit zwei Vertretern auf, von denen sich Heinz-Florian Oertel nach zwei Wochen mit einer Blinddarmentzündung verabschiedete. Zurück blieb Wolfgang Hempel, der in einem Internat in Bern logierte und u.a. das Endspiel für das Radio der DDR kommentierte, womit dort auch die Fernsehbilder "beschallt" wurden. Seine Anordnung lautete, den Weg der ungarischen Mannschaft zu verfolgen. Allerdings sollte die westdeutsche Mannschaft behandelt werden wie jede andere auch.
Hempel erinnert sich, dass seine Kollegen und er die gängigen internationalen Sportzeitschriften lasen und dadurch über den Ostblock hinaus gut auf ihr Thema vorbereitet waren. Dafür ließen sich die westdeutschen Kollegen gelegentlich über die Ungarn oder die weniger bekannten Tschechen Informationen geben. Im Endspiel verstand es Hempel, mit einer sehr korrekten Schilderung des Spielverlaufes einen unparteiischen Eindruck zu vermitteln. Während Zimmermanns Emotionen viel zitierte Geschichte wurden, wurde Hempels Neutralität laut Rudi Michel von der breiten Bevölkerung der DDR mit Unverständnis aufgenommen. Die gemeinsamen Wurzeln waren für Viele zu stark, um nicht in Beifall für die geborenen Landsleute auszubrechen.
Aus deutschsprachiger Sicht sei auch noch der Österreicher Heribert Meisel erwähnt, der sich nicht nur mit den vier (west)deutschen Kollegen das Quartier teilte sondern auch den eine Woche nach Ende der WM in die Kinos gelangten Kinofilm, der im wesentlichen einen Extrakt der in den Wochenschauen gesehenen Bilder beinhaltete, zusammen mit Zimmermann mit einem neuen Kommentar synchronisierte, wobei man sich auch freundschaftlich auf den Arm nahm, was von echtem Sportsgeist in der Radiozunft zeugte.
Wenngleich Zimmermanns Endspielkommentar der berühmteste Spielbericht ist und bleiben wird, bevorzugen wir aufgrund der wahnwitzigen Spannung und der die seitdem vergangenen 50 Jahre vergessen machende Atemlosigkeit den Viertelfinalkommentar Gerd Krämers aus Genf. Er selbst schien damals kurz vor dem Kollaps zu stehen, und dieser Live-Qualität (neben den unbestrittenen Qualitäten seiner Kollegen) erscheint uns in der Geschichte der Fußballradioübertragung die Krone zu gebühren.
Noch ein paar Worte zum Fernsehen: Die Eurovision, ein neu gegründeter Verbund von acht Ländern, die sich die Kosten von Live-Sendungen teilten, dafür aber entsprechende Forderungen ans Programm stellten, installierte ein Sendenetz von 4.000 Kilometern Länge, das sich in seiner Süd-Nord-Achse zwischen Rom und Kopenhagen erstreckte. Auf einer einzelnen Strecke konnte nur eine einzige Sendung übertragen werden, auf die man sich bereits Wochen vorher festgelegt hatte. Dabei handelte es sich um das Eröffnungsspiel Frankreich-Jugoslawien am 16.06. (das an diesem Tag konkurrenzlos war), England-Belgien am 17.06. (bzw. Schweiz-Italien, das Richtung Rom ausgestrahlt wurde und der anderen Begegnung somit nicht in die Quere kam), Uruguay-Schottland am 19.06. und Ungarn-Deutschland am 20.06., jeweils auf Kosten der zeitgleich stattfindenden anderen Spiele, die also nur im Stadion live gesehen werden konnten.
Mit deutscher Beteiligung wurden später noch das Halbfinal- und das Endspiel ausgestrahlt. Bis dahin hatte die Begeisterung längst das Land ergriffen. Obwohl beispielsweise das Tischmodell eines Fernsehgerätes (die Anbieter hießen damals übrigens Telefunken, Saba und Mende) 1.200 Mark kostete, was fünf Monatslöhnen entsprach, stiegen im Laufe des Jahres 1954 die angemeldeten Geräte in Deutschland von 10.000 auf 80.000 — bereits zum Halbfinale waren keine Geräte mehr lieferbar. Sie waren samt und sonders ausverkauft!
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