Josef Herberger

 
 
 
   
 

 

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Josef Herberger
(*28.03.1897 +28.04.1977)


Seppl, genannt "der Chef", nicht sehr groß und Mannheimer, Stadtteil Waldhof. Viertes Kind einer Arbeiterfamilie. Sein Vater starb, als der Junge zwölf war. Er wurde aktiver Fußballer (drei Länderspiele), stolperte aber über verdeckte Zuwendungen, mit denen ihn ein Verein vom anderen wegzulocken versuchte. Er ging 1926 nach Berlin, spielte bis 1930 bei Tennis Borussia und studiert nebenbei Sport an der Hochschule für Leibesübungen. Dort kreuzten sich seine Wege mit denen von Otto Nerz, der seit 1927 die Nationalmannschaft trainierte und Herberger zu fördern begann, ihn sogar zu seinem Trauzeugen machte. Bei der WM 1934, die Deutschland überraschend als Dritter abschloß, war Herberger Assistent von Nerz. In den Jahren darauf fand eine systematische Wachablösung statt, über deren Entwicklung diverse Autoren bereits komplette Buchkapitel verfasst haben. Die einen glauben, Nerz habe sich selbst demontiert, bzw. die Einflussnahme der Naziherrscher habe seine Mannschaften zu Misserfolgen geführt. (Tiefpunkt: Das Aus in der Vorrunde der Olympiade 1936 vor den Augen Hitlers.) Andere vermuten, Herberger habe systematisch nachgeholfen. Die Beweisführung ist noch nicht abgeschlossen und wird es wohl auch nie sein. Jedenfalls beerbte Herberger zwischen 1936 und 1938 seinen Vorgänger und widmete sich mit Feuereifer seiner Leidenschaft. Das WM-Endspiel 1954 wurde sein hundertstes Länderspiel als Auswahltrainer. Seit 1921 war er verheiratet mit Eva Müller, die ihn nur seltenst zu Gesicht bekam, da er laufend zwischen den Stadien hin und herreiste, um neue Spieler zu sichten. Keine Kinder.

Oberflächlich betrachtet war Herberger trotz seiner Herkunft durch und durch ein Preuße: er war disziplinwütig, pedantisch korrekt, alles andere als ein Lustmensch. Manch einer erlebte ihn allerdings auch als die Gutherzigkeit in Person. Besonders seine erprobten Nationalspieler liebten und verehrten ihn, hielten ihn für den Größten und weihten ihn bereitwillig in ihr Privatleben ein.

Nach gründlicherer Untersuchung des Menschen Herberger stach eine Eigenschaft besonders hervor: Besessenheit. Dazu passte, dass er Alles seinem einen großen Ziel, dem Fußball, unterzuordnen verstand. Besonders seine Meinung ordnet er unter! Herberger war ein Mitläufer, ein Wendehals par Excellence. Er hätte jedes Regime überleben, er arrangierte sich schneller als mancher Andere mit den Nazis und ließ sie 1945 natürlich hinter sich. Der geschickte Psychologe und Manipulator, der er seinen Spielern gegenüber war, war er garantiert auch im öffentlichen Leben. Er verstand es, mit der Presse umzugehen und sie zu benutzen. Das klappte nicht immer ... aber oft. Herberger war vermutlich auch Manipulator seiner eigenen Historie, die manche Widersprüche oder Unwahrscheinlichkeiten in sich birgt. Berühmt wurde er für seine Bauernweisheiten wie "der Ball ist rund" oder "ein Spiel dauert 90 Minuten". Den einen oder anderen Satz hatte jedoch Nerz bereits vor ihm benutzt! Und vor Nerz noch ein Anderer.

Herbergers glühende Bewunderer werden mit diesen Sätzen nicht einverstanden sein. Sie haben einen anderen Herberger kennengelernt. Der hier Beschriebene entspricht so gar nicht ihren Erfahrungen. Das macht Sinn, wenn man bedenkt, dass Herberger sich so verhielt, wie es sein jeweiliges Ziel erforderte: Um erfolgreicher Trainer zu sein, musste er die Spieler von seiner Autorität überzeugen, sich aber auch ihre Liebe und ihren unbedingten Einsatzwillen sichern. Wenn ein Spieler ihm nutzte und in sein Konzept passte, erhielt er Herbergers Aufmerksamkeit, wer dem Lebenswerk Nationalmannschaft nicht nutzte, war Herberger egal. Das galt für Spieler wie für vermeintliche Freunde. Spieler, die trotz ihrer unbestrittenen Qualitäten Unsicherheitsfaktoren bildeten, wie die eingeschlossenen Berliner, nutzten ihm nicht. Spieler mit eigener Meinung und Unangepasstheit hatten bei ihm wenig verloren, außer vielleicht ein Helmut Rahn, der erstens als Stürmer brillante Phasen hatte und zweitens gut für die Gruppe und die Stimmung war. Man kann einiges hier Genannte natürlich auch als Qualität betrachten: Anpassungsfähigkeit und damit die Fähigkeit zu überleben. Psychologisches Geschick, Gruppen zu leiten und zu lenken, ohne mit Strafen um sich zu werfen. Menschlichkeit gegenüber seinen Schutzbefohlenen. Aber hätte Herberger sich für den beruflichen Werdegang seiner Nationalspieler verwendet, wenn diese keine Auslandsangebote bekommen hätten? Oder wenn diese ihre spielerischen Fähigkeiten eingebüßt hätten, wäre er ihnen der väterliche Freund geblieben? Nachdem seine "Helden von Bern" ihn zu Weltruhm gespielt hatten, bleibt er der Mentor Einzelner. Aber auch nur bis zu einem gewissen Grad. Interessant ist auch, dass Herberger 1921 über versteckte Geldzuwendungen eine einjährige Spielsperre erhielt (er hielt es also nicht für unmoralisch, die geltenden Regeln zu brechen - aber vielleicht war ja auch einfach nur Hunger nicht unmoralisch!?), seinen Spielern aber später alle möglichen Knüppel zwischen die Beine warf, damit sie bloß nicht wohlhabend wurden. Befürchtete er, dass sie dann satt und nicht mehr ehrgeizig genug wären? Er setzte sogar eine recht dürftige Siegprämie für den WM-Titel durch, für die sich die heutigen Profis wahrscheinlich nicht einmal selber die Schuhe zubinden würden: DM 1.000 pro Nase plus DM 200 pro absolvierten Spiels. Andererseits häufte er selber ein Vermögen in Millionenhöhe an, mit dem er bereits 1977 die Sepp-Herberger-Stiftung aus der Taufe hob. (Diese Stiftung kümmert sich immerhin um in Not geratene Ex-Nationalspieler.)




 

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