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KRITIKEN

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 19.05.04

Windhunde mit Pferdelunge
In Kaiserslautern zeigen die "Helden von Bern", wie das mit der WM '54 tatsächlich gewesen sein könnte

In den Jahren des keimenden Wirtschaftswunders ging es nicht mehr um Stiefel für Stalingrad, sondern um Balltreter für Bern. Wer von der Liebsten in Hamburg, Essen, Fürth oder Kaiserslautern Abschied nahm, konnte wählen: Adidas oder Puma lautete schon damals die Frage, obwohl die drei Streifen und die springende Raubkatze noch keine Lounge-Accessoires waren. Als Mittelfeldspieler hieß man noch Läufer und blieb auf dem Betze, selbst wenn Inter lockte. Schließlich hatte man zu Hause ja seine Italia und garantierten Sonnenschein im Wohnzimmer. Das mit dem Sonnenschein galt allerdings nur, wenn man Fritz Walter hieß, mit einer waschechten Italienerin verheiratet war und im stolzen Fußballeralter von 34 zwar gerade den Meistertitel vermasselt hatte, trotzdem aber vor der ersten WM-Teilnahme stand. Das war die Ausgangssituation damals und ist sie heute in Klaus Stawecki/Raymond Tarabays penibel recherchierten "Helden von Bern".

Das Stück war ein Konkurrenzdrehbuch zum "Wunder von Bern" und hätte seinen Weg auf die Leinwand gefunden, wäre Sönke Wortmann nicht schneller gewesen. Nun darf Kaiserslautern sich glücklich schätzen, wo die Vorlage als Theaterstück an einem der Tatorte zur Uraufführung kam und zeigt, wie der Fritz und der Ottmar von der Pfalz aus Deutschland und die Kneipe der Eltern retten. Das legendäre "Waltereck" laborierte im WM-Jahr an einer finanziellen Schieflage. Da war der böse Brauereibesitzer, während Papa Walter ein Freibier nach dem anderen springen ließ. Man habe schon damals gehört, dass es um die Wirtschaft der Walters nicht gut stehe, bestätigt Horst Eckel. Er ist der eigentliche Held an diesem Abend im Pfalztheater und muss ein Autogramm nach dem anderen geben. Dann hat er aber doch noch Zeit für ein Gespräch und wirkt mit seinen 72 Jahren, wie er damals wohl war: Rappeldürr, hart, schnell, ausdauernd und mit Beinen gesegnet, mit denen man nur Cowboy oder Fußballer werden konnte.

Damals im Endspiel neutralisierte der "Windhund mit der Pferdelunge" den ungarischen Mittelfeldstrategen Nandor Hidegkuti und würde auch heute einen Mario Basler wohl noch lässig stehen lassen. Eckel lebt bei Kaiserslautern und konnte als einziger der noch lebenden Endspieler zur Uraufführung kommen. Linksaußen Hans Schäfer lebt in Köln. Ottmar Walter hatte sich angesagt, war dann aber doch nur auf der Bühne vertreten und wird dort von Daniel Brockhaus als ewiger Zweiten mit sonnigem Gemüt und unabdingbarer Loyalität gespielt. Das mit der Loyalität hat der Fritz auch bitter nötig, muss er doch wie ein deutscher Atlas die gesamte nationale Last auf schmalen Schultern balancieren, nebenbei den Helmut Rahn erziehen und Pässe schlagen, aus denen Bruder Ottmar vier Tore in fünf Spielen macht.

Loten Stawecki/Tarabay aus, was sich zwischen den Helden abspielt, funktioniert ihr Drehbuch auch als Theaterstück gut. Thorsten Danner spielt den Helmut Rahn als Ruhrpottfilou, bei dem Schweizer Mädels schwach werden. Rainer Furch ist das Urbild eines Fritz, der aus der Tiefe des Mittelfelds seine Italia liebt und kaum eine Minute ohne sie sein kann. Der eigentliche Steilpass für jedes Theater ist 'allerdings die Zuspitzung, dass der Fritz sich vor der WM mit Rücktrittgedanken quält und nur deshalb den Zug in Richtung Thuner See besteigt, weil er das "Waltereck" retten will. Der Vater hat einen der ersten Fernseher der Pfalz gekauft. Also muss der Fritz noch mal ran und den Umsatz steigern.

So kommt es, dass Deutschland wegen einer Kneipe Weltmeister wird und sich parallel dazu eine zweite Brudergeschichte abspielt, dessen Spielfläche eine Herzogenauracher Schuhfabrik sein müsste. Adolf und Rudolf Dassler, besohlten einst zusammen die Sportlerfüße der Welt, konnten allerdings schon vor 1954 nicht mehr miteinander. Also gründete Rudi Puma, während Adi mit der Schraubstolle die Walter-Elf aus dem Schlamassel zog. In der Kaiserslauterer Inszenierung steht Adi Dassler immer an der Seite Sepp Herbergers. Dass das nicht übertrieben ist, bestätigt der Benjamin von Bern. Wenn Herberger der zwölfte Mann der Weltmeisterelf gewesen sei, so Horst Eckel, müsse man Dassler als dreizehnten bezeichnen. Nicht zuletzt solche Hintergründe helfen über Passagen in den "Helden von Bern" hinweg, in denen WM-Spiele nachgebetet werden und die Regisseur Thomas Krauß besser gestrichen hätte, obwohl auch sie darauf einstimmen, was sich demnächst am 4. Juli abspielt.

Da werden nicht nur die letzten Endspieler zur 50. Wiederkehr des Wunders von Bern geehrt. Zeitgleich läuft in Lissabon das Europameisterschafts-Endspiel, während sich die Nation unter Umständen ja bereits davon erholt, dass die amtierenden Helden am 23. Juni um 21.30 Uhr mit einer Niederlage gegen die Tschechische Republik in der Vorrunde ausgeschieden sind - und Neuwahlen anstehen.

JÜRGEN BERGER



DEUTSCHE PRESSEAGENTUR vom 16.05.04

Theatererfolg für «Helden von Bern»: Uraufführung in Kaiserslautern

Kaiserslautern - Ein Theaterstück über den deutschen Sieg bei der Fußball-WM 1954 mit 70 Darstellern und im Pfälzer Dialekt: Dass sich das legendäre Ereignis trotz aller Skepsis schwungvoll auf die Bühne bringen lässt, hat das Pfalztheater Kaiserslautern am Samstagabend mit der Uraufführung des Stücks «Die Helden von Bern» eindrucksvoll bewiesen.

Das Ensemble präsentierte die Geschichte um Fußball-Idol Fritz Walter und die deutsche Elf mit Tempo, Spielfreude und Witz und ließ trotz der Begeisterung für die «schönste Nebensache der Welt» den nötigen Ernst nicht vermissen. Das Publikum bedachte die rund dreistündige Inszenierung mit 47 Szenen mit lang anhaltendem Applaus. Auch WM-Teilnehmer Horst Eckel zeigte sich angetan: Das Stück entspreche zwar nicht zu 100 Prozent der Wirklichkeit, es sei aber kurzweilig und gut gemacht, meinte der 72-Jährige. «Man kann es sich wirklich anschauen.»

Regisseur Thomas Krauß inszenierte das von Klaus Stawecki und Raymond Tarabay verfasste Stück als Geschichte der Selbstfindung des Fritz Walter, angereichert mit zahlreichen Nebensträngen. Dabei schätzt Tarabay den Tatsachen-Anteil «auf 70 Prozent», der Rest sei fiktiv. Tarabay hatte das Stück mit Stawecki ursprünglich als Filmdrehbuch für Senator Film entwickelt, doch dann machte Sönke Wortmanns Fassung das Rennen und wurde als «Wunder von Bern» auf der Kinoleinwand ein Hit.

In dem Theaterstück steckt der Kapitän der deutschen Elf, einfühlsam gespielt von Rainer Furch, vor der WM in einer Krise: Mit dem 1. FC Kaiserslautern hat der Pfälzer das Spiel um die deutsche Meisterschaft verloren, öffentliche Zweifel an seiner Form verunsichern den für seine selbstkritische Haltung bekannten 33- Jährigen, der an eine WM-Absage denkt. «Wer bei der WM alles spielt: Da kann ich nie und nimmer mithalten», klagt er seiner Frau Italia (Edith Konrath), die ihn - oft in heimlicher Absprache mit Bundestrainer Sepp Herberger (Reinhard Karow) - immer wieder bestärkt. Walter gerät erst recht unter Druck, als sein Vater Ludwig (Peter Nassauer) ankündigt, er habe für sein von der Pfändung bedrohtes Lokal in Kaiserslautern einen Fernseher gekauft, um während der WM Gäste zu gewinnen.
Zu allem Überfluss muss sich Fritz Walter auch noch mit dem jungen Spieler Helmut Rahn herumstreiten, der mitunter Extratouren fährt und den älteren Walter als «Pfälzer Tugendbold» verspottet. Thorsten Danner spielt den ulkigen und selbstbewussten Rahn mit Witz. Nach Irrungen und Wirrungen, Siegen und Niederlagen werden die beiden Freunde und kommen auch persönlich weiter: Rahn entwickelt Teamgeist, und Walter findet zu sich selbst zurück.

Bis zum legendären 3:2-Sieg über die favorisierten Ungarn in Bern werden im einfallsreichen Bühnenbild von Thomas Dörfler zudem Eifersüchteleien der Spieler, Rahns wohl erfundenes Techtelmechtel mit einer Hotelangestellten und Herbergers NSDAP-Mitgliedschaft thematisiert. Auch deutsch-deutsche Rivalitäten vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und der Streit um die erste Strophe der bundesdeutschen Nationalhymne spielen eine Rolle. Im entscheidenden Moment - beim Siegtor Rahns gegen Ungarn - greifen die Theatermacher auf Filmmaterial aus dem Archiv zurück und zeigen die Originalaufnahmen von damals. Danach geht Fritz Walter allein von der Bühne ab.



RHEINPFALZ vom 16.05.04

Die Sehnsucht nach dem gelben Wagen
Heimspiel für die Nostalgie: Uraufführung des Fußballstücks "Die Helden von Bern" am Pfalztheater Kaiserslautern

Von unserem Redakteur Fabian R. Lovisa

Mythen verlieren leicht ihren Charme, wenn sie nur genügend strapaziert werden. Was anfänglich begeistert aufgenommen wird, nervt über lang oder kurz in der Endlosschleife der Wiederholungen. Und jeder erneute Aufguss hat es schwerer. Beim Mythos von Bern ist das nicht anders. Am Samstag erlebten die Helden von Bern nun als Theaterstoff ihre Uraufführung in Kaiserslautern - nach unzähligen Medienberichten, diversen Büchern, dem Kino-Epos von Sönke Wortmann und einem Doping-Skandälchen, das aber so wirklich richtig niemand interessiert hat.

Auf großes, überregionales Interesse dagegen stieß das Projekt des Pfalztheaters; in die erste Liga der Häuser wollte man mit dem Schauspiel vorstoßen. Mit 70 Akteuren und 47 Schauplätzen bemüht das Team um Regisseur und Pfalztheater-Schauspieldirektor
Thomas Krauß Superlative. Die Erwartungen an das keineswegs leichte Unterfangen konnten also höher kaum gespannt sein. Aber wenn schon den Jungs der Herberger-Mannschaft ein Wunder gelang...

Als Wunder muss man die Aufführung des Stücks von Klaus Stawecki und Raymond Tarabay nicht gleich begreifen. Denn inhaltlich gibt die Story wahrlich nicht allzu viel her, was auch zeitkritische Anklänge etwa in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und eine Prise Kapitalismuskritik nicht verbergen können. Doch gelingt eine überaus sympathische Darstellung der Ereignisse, die gerne mit dem wieder erwachenden Selbstbewusstsein der kriegsgebeutelten Nation in Zusammenhang gebracht werden. Im Gegensatz zu dieser Interpretation sind es jedoch die Binnenzeichnungen von Figuren und Schauplätzen, auf die Regisseur Thomas Krauß setzt und die das Liebenswerte am Stück ausmachen.

Beschworen wird eine Zeit, in der Sportler noch für die Ehre antraten, in Doppelzimmern übernachteten und zu jeder Gelegenheit "Hoch auf dem gelben Wagen" schmetterten. Sympathische Jungs sind sie durch die Bank, allen voran natürlich Fritz Walter und Helmut Rahn. In Rainer Furch und Thorsten Danner haben sie zwei Interpreten gefunden, die nicht nur die dialektalen Ebenen treffen, sondern auch das Charakteristische der Figuren herausarbeiten, ohne in Eindimensionalität abzufallen. Was im Übrigen auch für die meisten anderen Rollen des Stücks gilt, von der charismatischen Trainerfigur Sepp Herberger (Reinhard Karow) über Spielerfrau Italia Walter (Edith Konrath) bis zu Spielervater Ludwig Walter (Peter Nassauer).

Der Vielzahl der Figuren, die sich wie ein buntes Puzzle zum Gesellschaftsbild verweben, entspricht die Vielfalt der Schauplätze, in denen die Atmosphäre der 50 er ebenso wie in den Kostümen (Anke Drewes) auflebt. Fast originalgetreu die Wirtschaft der Walters, der Waschsalon mit den alten Maschinen, die Umkleiden der Nationalspieler, bescheiden wie heute nicht mal mehr in der Turnhalle einer Grundschule. Bühnenbildner Thomas Dörfler hat mit Blick aufs Detail Kulissen geschaffen, die die Handlung einbetten und die dank Bühnentechnik miteinander verwoben werden können - etwa wenn beim Endspiel die heimischen Fans mit den Berichterstattern im Stadion, dem Elfmeterpunkt vor dem Tor der Ungarn und dem originalen Film-Dokument zusammengespiegelt werden.

Als am Ende der heftige Beifall für diese Uraufführung nicht enden will, so ist dies einmal zweifellos der Umsetzung mit Herzblut zu verdanken, bei der die ganze Theatermannschaft, den Heimvorteil geschickt nutzend, an einem Strang zieht - neben zwei Dramaturgen tauchte selbst der erste Geiger des Orchesters in einer Nebenrolle auf. Daneben gilt der Applaus sicherlich auch einer Zeit, in der sich eine Region noch mit ihren Fußballern identifizieren konnte, in der es auch wirtschaftlich spürbar aufwärts ging, und er ist damit wohl auch Ausdruck einer gewissen Sehnsucht. Insofern hat diese Kaiserslauterer Inszenierung des Mythos' von Bern ihre Berechtigung und mehr noch: ihren speziellen Charme.



RHEINPFALZ vom 16.05.04

"Ein Lauterer Weihespiel" und eine tolle Sache

KAISERSLAUTERN: Stimmen nach der Premiere des Stücks "Helden von Bern" im Pfalztheater — Auch Schwächen erkannt

Gut unterhalten und dem Phänomen Fußball in Kaiserslautern ein Stück näher gebracht, fühlten sich die Premierengäste bei der Uraufführung der "Helden von Bern" am Samstagabend im Pfalztheater. Nach dem Schlussapplaus hat die RHEINPFALZ bei der außergewöhnlich gut besuchten Premierenfeier Meinungen zu dem Stück eingeholt.

Ingesamt sehr angetan war der Kulturdezernent, Bürgermeister Arne Ockinghaus: "Ich denke, das Stück kann man auch über Lautern hinaus spielen." Es sei gut gemacht, die Charaktere gut getroffen. Gefallen habe ihm vor allem, dass die Autoren den Fußball in den Vordergrund gestellt hätten. Oeckinghaus kann sich vorstellen, dass "Die Helden von Bern" das Zeug haben, um Schülern das Theater ein Stück näher zu bringen.

"Manche Spieler waren sehr gut getroffen, vor allem der Rahn — das war genau der ,Boss'", kommentierte Anne-Marie Liebrich, die ihren Ehemann Werner erst Jahre nach der Weltmeisterschaft kennen gelernt hatte. Die Inszenierung habe ihr ganz gut gefallen, wenn sie auch anfänglich etwas langatmig gewesen sei. Sie fand, da sei im Moment vielleicht ein bisschen viel "Wunder von Bern."

"Ich wünsche auch anderen Städten den Mut, das Stück zu spielen", äußerte sich Vadim Glowna begeistert über die Vorlage der Autoren und die Inszenierung. Mit Fußball habe er überhaupt nichts am Hut, gestand der bekannte Schauspieler und Regisseur. Zur Uraufführung sei er gekommen, weil er einen der Autoren sehr gut kenne. Überrascht habe ihn die Bindung der Leute hier an den Fußball.

"Für mich ist das so eine Art Kaiserslauterer Weihespiel, ein Ritus, der einmal sein musste", äußerte der Journalist und Autor vom "Klääne Pälzer", Michael Bauer. Das Stück habe auch einige Längen, Schwächen und dramaturgische Ungeschicklichkeiten: "Aber das muss man jetzt nicht in den Vordergrund stellen." Etwas mehr Pep und Schwung, vor allem im ersten Akt, hätte sich Professor Gerhard Steinebach vorstellen können. "In der zweiten Hälfte war's besser", fand der Stadtplaner an der Technischen Universität. Etwas mehr 50er-Jahre-Flair hätte er sich außerdem gewünscht.

"Die Reaktion der Leute hat gezeigt, dass das Stück gefallen hat; mir hat es auch ganz gut gefallen", freute sich Horst Eckel über eine gelungene Uraufführung. Die Weltmeisterschaft in Bern sei schon im Film gut gebracht gewesen. Das jetzt auf der Bühne des Pfalztheaters zu sehen, sei schon interessant und eine tolle Sache. Ottmar Walter war am Samstag nicht im Pfalztheater. Er musste überraschend ins Westpfalz-Klinikum, weil ihm sein Knie wieder Probleme macht.

Gabi Kohlmeyer und Heide Madl waren zwei und fünf, als ihr Vater Werner Weltmeister wurde. Beiden hat die Aufführung gut gefallen. "So weit ich informiert bin, war das ziemlich authentisch dargestellt", sagte die Jüngere. Auch die Zeit sei gut nachempfunden gewesen. Dass die Dialoge im Dialekt gesprochen wurde, hob die ältere Kohlmeyer-Tochter als positiv hervor. Beide bekannten sich zu einem "etwas komischen Gefühl", ein Stück Familiengeschichte auf der Bühne dargestellt zu sehen und begrüßten es, dass sich das Stück darauf beschränke, hauptsächlich die sportliche Seite der Geschichte zu erzählen. (krh)



PIRMASENSER ZEITUNG vom 17.05.04

54er WM-Finale in der Verlängerung
"Die Helden von Bern" feiern am Pfalztheater Premiere
Von PZ-Redakteur Hansheiner Ritzer

Ein Spiel dauert 90 Minuten. Dieses fast schon philosophische Herberger-Axiom ist wohl die einzige Fußball-Weisheit die "Die Helden von Bern" in der Pfalztheater-Uraufführung vom Samstag mit Füßen traten. Zweieinhalb Stunden — länger als eine WM-Finale mit Verlängerung — hielt sich dort die fast 100-köpfige Truppe haarklein an die taktischen Vorgaben, die das Trainerteam aus Autoren und Regie ausgearbeitet hatten, zeigte ein teilweise furioses Spiel und landet am Ende einen deutlichen Sieg. Auf jeden Fall gab's für diese Art Fußball-Kultur lautstarken Applaus von den ausverkauften Rängen — ganz im Gegensatz zu den Pfeifkonzerten, die in den letzten Wochen regelmäßig vom benachbarten Betzenberg herüber gellen. Die Ansprüche waren naturgemäß hoch. Ging es doch darum, das Spiel zum Spiel aller Spiele im Berner Wankdorf- Stadion von 1954 gleichzeitig anspruchsvoll und unterhaltsam, vielschichtig und intensiv auf die Spielfläche zu bringen. Die Autoren Klaus Stawecki und Raymond Tarabay schaffen den Spagat, lassen die zentralen Akteure auf und um den grünen Rasen lebendig werden und arbeiteten zur selben Zeit die gesellschaftliche Bedeutung jenes legendären Weltmeister-Titels im Nachkriegsdeutschland auf. Ins zentrale Mittelfeld stellen sie dabei ein Trio, mit dem sich fußballerisch wie dramaturgisch ideal aufspielen lässt: der Stratege Sepp Herberger (Reinhard Karows Gesten ließen den Chef leibhaftig werden), der Getriebene Held Fritz Walter (Rainer Furch mit differenziertem Spiel in bestem Lauterer Dialekt) und der Spaßvogel Helmut Rahn (Thorsten Danner humorvoll und charakterstark). Um diese drei baut sich in der ersten Halbzeit des Stückes zunächst ein lockeres Spielchen um fußballerische Krisen, Männerfreundschaften und Lauterer Lokalkolorit im Vorfeld und zu Beginn der Fußball-WM auf. Kein Dokumentarspiel wie die Autoren betonen, aber dennoch um Authentizität bemüht. Szenen aus dem "Waltereck", aus Italias Waschsalon, aus dem Trainingslager Grünwald, im Zug Richtung Schweiz, aus dem Mannschaftsquartier am Thuner See und aus dem Stadion — die Vielzahl der Schauplätze reizt die Technik der Lauterer Arena vollkommen aus. Von oben, unten, von der Seite und aus dem Hintergrund werden die Szenenbilder eingefahren, immer eingerahmt von einem Großen Fußballtor und immer von einem himmelwärts angelegten grünen Rasen überstrahlt.

Für den einen oder anderen Einfall der "Hintermannschaft" gab es sogar Szenenapplaus. Die zweite Halbzeit knüpft dort an, wo die "ersten 45 Minuten" aufgehört haben. Nach der 3:8-Niederlage gegen die Ungarn lebt die Kritik an Trainer und Mannschaft wieder. Von außen wie von innen wird Fritz Walter zum Schuldigen gemacht. Es wird ernst, die Dramatik nimmt zu. Kein Schönwetterfußball mehr, jetzt wird auch schon mal reingekrätscht, ein bisschen am Lack der Idole gekratzt. Es brodelt in der Mannschaft, von außen wird mit nicht immer fairen Mitteln dazwischen gefunkt: Es geht um Schiebung und Nazi-Vergangenheiten, Geld, Macht und Politik — das Spiel ums runde Leder droht seine Unschuld zu verlieren. Dann die entscheidende Szene: Walter und der "Boss" Rahn raufen sich nach gegenseitigen Attacken endlich zusammen. Die Mannschaft geht geschlossen ins Finale, will den unmöglichen Sieg möglich machen. "Denkt dran Männer, bei der Hymne bleiben wir diesmal stumm", gibt Fritz Walter die Parole aus, wirft allen Ballast ab. Das Spiel endet mit den überdimensionalen Wochenschau-Bildern der letzten fünf Final- Minuten von Bern. Rahn schießt das entscheidende 3:2 und dann ist das Spiel auuus, auuus, auuus... Der Ball ist rund hat schon Sepp Herberger postuliert. Und mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung - bis hin zu "Zeugwart" und "Betreuerteam" — hat das gesamte Ensemble des Pfalztheater die "Helden von Bern" zu einer runden Sache gemacht: Theaterunterhaltung ohne Zeigefinger- Anspruch. Fußball ist ja auch nur ein Spiel und die Wahrheit ist auf dem Platz.



RHEINPFALZ vom 17.05.04

Freude bis ins Detail
Von Marita Gies

Das Stück "Die Helden von Bern" lebt nicht allein durch seine großartigen Fußball-Schauspieler, die die Deutschland-Trikots mit voller Begeisterung und totaler Glaubhaftigkeit über den Leib gestreift haben. Ein gut Teil der Authentizität ist den vielen Statisten zu verdanken, die ebenfalls mit Verve bei der Sache sind. Die Szenen in der Walter-Kneipe, im Waschsalon oder im Stadion werden erst durch die Kleindarsteller zu einem getreuen Abbild der WM-Wochen. Noch eine Kleinigkeit, die das Stück so schön rund wie ein Fußball macht: die Dialekte — nicht nur das Pfälzische, das dominierte. Es wird bayerisch, fränkisch, schweizerisch, berlinerisch, ruhrpöttisch und was noch alles parliert. Manch ein Idiom ist mit Bravour angelernt, manches Muttersprache der Schauspieler. Eine Freude bis ins Detail.




BERICHTERSTATTUNG

DER TAGESSPIEGEL vom 13.05.04

"Gegen Helmut Rahn ist Effenberg ein Langweiler"
Nach Sönke Wortmanns Filmepos gibt es jetzt die Helden von Bern sogar als mundartliches Volkstheater — ein Gespräch mit den Autoren des Stücks

TS: Herr Stawecki, Herr Tarabay, Sie haben beide eine kolossale Macke...
Raymond TARABAY: Ja, 'ne Vollmeise!
TS: ...sonst hätten Sie nicht sechs Jahre lang die Geschichte der WM 1954 recherchiert.
Klaus STAWECKI: Wir haben seit 1998 alles gesammelt, in Archiven gestöbert, mit Zeitzeugen gesprochen, Schauplätze aufgesucht. Wir wollten es einfach genau wissen, wer, was, wie, weshalb?
TS: Warum denn überhaupt?
STAWECKI: Ich habe damals Szenen vom Finale gegen Ungarn gesehen und musste weinen, hemmungslos weinen. Das war der Auslöser.
TS: Und nun ist dabei ein Theaterstück herausgekommen, in dem Fritz Walter zu seiner Frau Italia sagt: "Hoscht du Radio g'hört? Swa so furschtbar. Ogottogott."
TARABAY: Das ist Volkstheater, warum nicht? So hat der Fritz eben geredet. Unser Traum ist es, mit diesem Stoff die Stadiongänger in große Theater zu holen.
TS: "Die Helden von Bern" sind vermutlich das erste Theaterstück, auf das im "Kicker" hingewiesen wurde.
STAWECKI: Und darauf sind wir unheimlich stolz, das sehen Sie unseren Gesichtern doch an, stimmt's? Auch die Webseite, von Eintracht Frankfurt schreibt darüber, was für ein irrer Erfolg!
TS: Mal ehrlich. über die Mannschaft: von Sepp Herberger wurde so viel geschrieben, gab es da noch etwas zu entdecken?
TARABAY: Oh ja, kleine Facetten und Anekdoten, oft in den Lebensläufen von den weniger bekannten Spielern. Und wir haben früh herausgefunden, dass es einen Zusammenhang geben muss zwischen der Leberzirrhose, an der Richard Hermann mit 39 Jahren starb, und der Gelbsucht, an der die halbe Mannschaft von 54 erkrankt war. Da gibt es bei der Recherche einen Satz und dort einen, und plötzlich passt alles zusammen: Den - Deutschen sind Vitamine gespritzt worden, Traubenzucker, vermutlich hat Helmut Rahn den Erreger aus Südamerika eingeschleppt... Herberger und der Deutsche Fußball-Bund haben immer bestritten, dass gespritzt worden war, auch die Söhne von Richard Hermann hatten das nicht gewusst. Die wussten nur: Vater ist früh gestorben. Der Mannschaftsarzt lebt noch, aber er wollte nicht mit uns reden. Alles lange her. Viele Zeitzeugen sind tot, Erinnerungen verschwimmen.
TARABAY: Viele Widersprüche lösen sich auch nicht auf. Zum Beispiel: Haben denn alle mit Adidas-Schuhen gespielt, wie es immer heißt? Der Sohn des Torwarts Toni Turek sagt, mein Vater war immer ein Puma-Freund, der hatte nichts anderes. Und Alfred Pfaff, einer der Spieler, die noch leben, sagt: Ich habe immer in, Puma gespielt.
TS: Auf den Bildern sind die drei Streifen doch zusehen.
STAWECKI: Die können aufgeklebt sein, auf gemalt, ein Trick, es gibt keine eindeutige Antwort. Dasselbe beim Thema Rauchen. Einige Spieler sagen, es sei nicht eine Zigarette gequalmt worden, andere sagen, Herberger habe den Fritz Laband mit dem Werner Kohlmeyer zusammen auf ein Zimmer gelegt, weil beide heftige Raucher waren - der ältere Sohn von Laband bestreitet das. Aber das alles ändert ja nicht die Geschichtsschreibung.
TS: Wer jetzt im Theater "Die Helden von Bern" anschaut, sieht, wie es wirklich war. STAWECKI: Sie ahnen wie es wirklich hätte sein können. Es ist nicht dokumentarisch. Die Dialoge sind von uns, wir waren ja nicht in den Zimmern im Hotel Belvedere dabei. Es gibt aber auch Dialoge, die in Autobiografien, überliefert sind. Als Helmut Rahn erfuhr, dass er im zweiten Türkeispiel nicht spielen durfte, wollte ihn Fritz Walter aufbauen: "Komm, mach dir nichts draus." Und Rahns Antwort war: "Du hast gut reden, du bist vom Chef gesetzt."
TS: Bruder Ottmar spricht so: "Nur deschweesche hämmer Madrid abg'sagt. Isch hab uff een Vermööschen vezischtet, weil du weide inne Nationalelf spiele wulltest."
TARABAY: Fritz und er hatten, ein Angebot: 250000 Mark Handgeld, 10 000 im Monat plus Haus, Pool, Auto. Ein Wahnsinn für die 50er Jahre, aber verbürgt. Trotzdem sind die beiden wegen der Nationalelf in Kaiserslautern geblieben.
TS: Und Fritz Walters Gattin Italia sagte wirklich "Schnuckelino" zu Deutschlands wichtigstem Spieler?
TARABAY: Ja. Schnuckelino ist 100 Prozent authentisch. Auch, dass Fritz zu seiner Frau "Schätzelsche" gesagt hat. Wir ... haben ja nicht mit solchen Fragestellungen recherchiert: Wie nennt Fritz Walter seine Frau und umgekehrt? Nein, irgendwann, stolpert man drüber, findet es witzig, und so kommt es ins Theaterstück.
TS: Haben Sie beide einen ganz persönlichen Helden von Bern?
STAWECKI: Karl-Heinz Metzner aus Kassel, der hat bei der WM kein einziges Spiel gemacht. Er hatte im Krieg einen Oberarmdurchschuss bekommen, ein Fiasko bei dem Wunsch, Architekt zu werden. Es musste mühsam die Benutzung seiner rechten Hand wieder erlernen und wurde technischer Zeichner, auch fußballerisch war er toll, nur hat er nicht die ganz große Rolle gespielt. Aber diese Vita hat mich sehr beeindruckt.
TARABAY: Meine positivste Begegnung war die mit Fritz Walter. So unheimlich freundlich, so sehr bescheiden, und er sprach in so ehrenhafter Form über seine Kameraden, das fand ich bewundernswert. Als Typ ist Helmut Rahn mein Hero, absolut jenseits von Gut und Böse.
TS: Der Boss? Warum denn?
TARABAY: Er ging allen tierisch auf den Senkel, ein gnadenloses Enfant terrible. Dagegen ist Effenberg ein Langweiler.
STAWECKI: Was mich noch berührt hat: Der Münchner Hans Bauer stammte aus sehr ärmlichen Verhältnissen, trotzdem hat er seine WM-Prämie von 500 Mark Hochwasseropfern gespendet. Bauer galt als Spieler wohl als zu weich...
TS: ...und deshalb kennt ihn heute keiner.
STAWECKI: Er ist nicht im Olymp, aber hat 54 zweimal gespielt, weil Kohlmeyers großer Zeh wund war.
TS: Ein wunder Zeh! Haben Sie das Gefühl, jetzt wahnsinnig viel Sinnloses zu wissen?
STAWECKI, TARABAY: Gewiss! Klar!
TS: Eigentlich wollten Sie beide einen Film machen, den gab es dann auch, nur von Sönke Wortmann, "Das Wunder von Bern". Ihre Müh war für die Katz.
TARABAY: Die Enttäuschung war groß, auf jeden Fall. Wir sind für unser Drehbuch von einer großen deutschen Produktionsfirma hofiert worden. Die Stimmung war euphorisch, und plötzlich... Aus, aus, das Spiel war aus! Dann kam ein Musicalproduzent und sagte begeistert, den Stoff muss man auf die Bühne bringen. So wurde das Theaterstück daraus.
Und der Aufwand an Recherche war dafür eigentlich viel zu groß.
STAWECKI: Ach ja. Aber die Zuschauer spüren, ob man etwas nur so behauptet, oder ob man die Hintergründe kennt. Der Film sollte ja Gott-weiß-wo spielen, jetzt ist es ein Heldenepos für die Pfalz.
TS: "Chef, ich fiehl misch wie neugebore", ruft der' Fritz. Sie reden beide Hochdeutsch, wer hat Sie denn mundartlich beraten?
TARABAY: Verwandte aus der Pfalz. Der Regisseur im Pfalztheater ist Franke, der hat sich um den Nürnberger Max Morlock gekümmert, im Ensemble sind noch andere Dialektkundige. Wir sind übrigens alle drei Fans des richtigen Vereins: Bayern München.
TS: Ihr Problem. Wer war eigentlich der Mensch, den Sie am wenigsten mochten?
STAWECKI: Herberger ist eine schwierige Person. Diese Besessenheit, ein Pedant, ihm ist so vieles zuzutrauen. Man muss sich nur mal vorstellen, er hatte sich vom Platzwart einen Schlüssel geben lassen. denn er wollte vor dem Finale den Platz wässern lassen, falls es nicht regnet. Er hätte "dem Fritz sein Wetter" künstlich hergestellt.
TS: Und wie geht Ihr Theaterstück aus?
STAWECKI: Puskas schießt das 3:3, und Deutschland verliert durch Münzwurf.
TARABAY: Er lügt, er lügt! Glauben Sie ihm nicht!

- Das Gespräch führten Jürgen Schreiber und Norbert Thomma.





DIE RHEINPFALZ vom 13.05.04

Wie geschaffen für die Bühne in Kaiserslautern
"Die Helden von Bern" laufen am Samstag im Pfalztheater ein — Einführung mit Zeitungsartikeln und Zitaten
Von unserer Mitarbeiterin Alexandra Schmid

"Mit dem heutigen Sieg in der Fußballweltmeisterschaft, dessen sich Millionen Deutsche freuen, werden die großartigen Leistungen gekrönt, die Sie in der Schweiz gezeigt haben. Ich spreche Ihnen zu Ihrem Erfolg meine herzlichen Glückwünsche aus und freue mich, Ihnen das silberne Lorbeerblatt verleihen zu können." So lautete das Glückwunsch-Telegramm des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss an die deutsche Fußballnationalmannschaft. Im Leitartikel der RHEINPFALZ vom 5. Juli 1954, den Thorsten Danner vorliest, wird der Sieg über Ungarn im Kampf um die Weltmeisterschaft bezeichnet als "der größte Erfolg, den deutsche Fußballer jemals erzielten." Ausgerechnet die Deutschen waren es, die Ungarn die erste Niederlage seit vier Jahren einbrachten. Auch andere Zeitungsausschnitte, die zur Einführung in "Die Helden von Bern" im Pfalztheater auslagen, zeugen vom Jubel und der Begeisterung bei der Ankunft der Fußballspieler in ihrer Barbarossastadt.

Am Samstag ist es nun so weit: "Die Helden von Bern" laufen im Pfalztheater ein. Das Stück von Klaus Stawecki und Raymond Tarabay ist wie geschaffen für die Bühne in Kaiserslautern, weil hier die Lauterer Nationalspieler um Fritz Walter im Mittelpunkt stehen. Joachim Fest hat einmal der These zugestimmt, wonach die Bundesrepublik drei Gründungsväter hat: Konrad Adenauer in der Politik, Ludwig Ehrhardt in der Wirtschaft und Fritz Walter im mentalen Bereich.

Viele Szenen spielen in Lautern, unter anderem in der Walterschen Wirtschaft in der Bismarckstraße und im Waschsalon. Das sind nur zwei der 25 Schauplätze, die vor allem aus der filmischen Schreibweise des Stückes resultieren, so Thomas Dörfler.
Für das Theater ist es eine außergewöhnliche Herausforderung, das Thema auf die Bühne zu bringen. Deutschland war neun Jahre nach Kriegsende wieder in die internationale Gemeinschaft aufgenommen. Auch das Zitat von Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Abriss des Berner Wankdorfstadions zeigt, was Deutschland mit diesem Sieg verbindet. Das Wankdorfstadion sei der Ort, der unvergessen bleibe in der Geschichte der gesamtdeutschen Demokratie. "Wir sind wieder wer" drückte wohl am besten das neue Selbstbewusstsein aus, das im Ausland nicht nur auf Gegenliebe stieß. Viele sahen den deutschen Nationalismus wieder erstarken.
Das Stück im Pfalztheater ist kein Dokumentarspiel, das auf der Bühne ohnehin nicht gut aufgehoben wäre. Die Autoren haben zwar sehr gut recherchiert, aber dennoch einige Handlungsstränge frei erfunden. Wichtiger sei es, so Thomas Krauß, die historische Wahrheit mit dichterischer Fiktion zu verweben. Gerade das mache die Spannung des Werkes aus. Ein Theaterstück könne gar nicht dramatischer oder spannender sein als dieses Endspiel, so Krauß, dem es große Freude bereitet, mit solch einem Mythos zu spielen. Auch wenn die Geschichte auf der Bühne vor dem eigentlichen Beginn des Mythos spiele.

Auf der Bühne soll darüber hinaus ein zeitgeschichtliches Bild der 50er Jahre entworfen werden, wobei auch der Konflikt zwischen Ost und West thematisiert wird. Dass der "Fußballwahnsinn" aber schon immer ein Thema war, zeigt das Gedicht "Fußball (nebst Abart und Ausartung)" von Joachim Ringelnatz, in dem es um "Fußballwahn" und seine Auswirkungen geht: "Der Fußballwahn ist eine Krankheit, aber selten, Gott sei Dank! Ich kenne wen, der litt akut an Fußballwahn und Fußballwut. Ich warne euch, ihr Brüder Jahns, vor dem Gebrauch des Fußballwahns!" liest Rainer Furch, bei dem die Spannung vor der Premiere steigt.
Schließlich stellt Furch keinen Geringeren als "den Erfinder von Kaiserslautern" dar, wie es eine Anekdote erzählt. Wie gut Furch bereits den Pfälzer Dialekt beherrscht, bewies er bei seiner Lesung aus Michael Bauers "De klääne Pälzer", der aus der Trickkiste Fritz Walters plaudert. Fußball wird auf der Bühne kaum gespielt. Bis auf zwei Stellen, in denen Fritz Walter zwei Elfmeter gegen die Österreicher schießt, wird er sekundär erzählt.

Durch das Bühnenbild von Thomas Dörfler ist der Fußball dennoch dauerpräsent, denn ein überdimensionales Fußballtor dient als Bühnenportal. Das sich immer wieder ergänzende Spielfeld geht ins Unendliche, so dass verschiedene Schauplätze gleichzeitig gezeigt werden können.

Ottmar Walter und Horst Eckel haben sich zur Premiere angekündigt.





DIE RHEINPFALZ vom 11.05.04

PROBENBESUCH
Für die "Helden von Bern" auf der Bühne
Pfalztheater Kaiserslautern: Eine Statistin wächst in ihre Rolle als Fanclub-Mitglied in der Walter-Kneipe hinein

Das Telefon läutet. "Hier Thomas Krauß, Pfalztheater Kaiserslautern. Wir probieren es mal. Geht es heute um 19 Uhr?" "Natürlich!" Zwei ganze Wochen habe ich auf diese Zusage gewartet. Nun die Gewissheit: Ich bin dabei bei den "Helden von Bern"! Die Anspannung fällt ab, wechselt in Freude, gepaart mit Ungewissheit, was mich nun alles erwartet.

Neugierig war ich einem Aufruf in der RHEINPFALZ gefolgt, mit dem Statisten für das Theaterstück "Die Helden von Bern" angeworben werden sollten. Einfach kommen, hieß es — ich erinnere mich. Und ich bin da, an dem Abend am Bühneneingang. Ein Mensch unter vielen. Viele kennen sich bereits, begrüßen sich lauthals und erinnern sich an gemeinsam bewältigte Bühnenauftritte. Ich bin absoluter Neuling. Keine Bühnenerfahrung, keine Gesangsausbildung, keine Vorkenntnisse.

Wir werden durch das Haus geschleust. Treppe hoch, links, rechts. "Heute sind wir im Musiksaal, weil alle Probenbühnen belegt sind", erläutert Thomas Krauß. Zettel werden ausgeteilt, Passfotos erbeten. Dann noch die Unterschrift unter den geplanten Aufführungsterminen. "Wir können Euch nur nehmen, wenn ihr immer Zeit habt. Private Termine solltet ihr euch während der Probenzeit verkneifen." Verständlich. Man muss eine so große Meute ja irgendwie unter einen Hut bringen. "Wir melden uns dann", sagt Ralph Eiselein, Leiter der Statisterie. Damit ist das "Casting" gelaufen. Das Warten beginnt.

Vierzehn Tage später eile ich wieder ins Theater. Pünktlich natürlich. Sachte drücke ich die Türklinke und spitze in einen Raum, der sich Probebühne II nennt. Eine Szene ist im Gange in Fritz Walters Waschsalon, wie sich alsbald herausstellt. Thomas Krauß winkt mich herein. Die Proben laufen ungebremst weiter. Ich denke mir: aufmerksam zuschauen und vielleicht gleich etwas lernen.

Nach und nach trudeln weitere Statisten ein. Nun geht es an unsere Szene. Wir sind der Fanclub in der Walter-Kneipe. Der Text wird verteilt. Zunächst nur gelesen. Dann werden wir um Tische verteilt; Kneipentische bei Walters versteht sich. Zum Text entsteht ein erstes flüchtiges Bild. Es kommt Bewegung ins Spiel.

Anfangs ducke ich mich noch etwas hinter meinem Vordermann - eher unbewusst. Er ist groß genug und scheinbar ein alter Hase in der Statisterie. Die mehrfachen Wiederholungen lassen mich dann aber allmählich in die Szene hineinwachsen. Der große Mann wird mein Onkel, das ältere Ehepaar rechts von mir wird zu meinen Großeltern. Meine Eltern selbst sind natürlich in Bern, beim Endspiel der Deutschen gegen Ungarn — ganz klar. Der Kontext hilft. Lautstark mische ich schließlich mit: "Deutsch—land, Deutsch—land!" Vielleicht ein guter Anfang, denke ich mir.
Viele Proben und einige Wochen später sind wir ein eingefleischtes Team. Die "richtigen" Schauspieler haben uns Neulinge gut aufgenommen, reißen uns förmlich mit. Die Textvorlagen werden gegeben, gespielt und weitergegeben — ganz wie beim Fußball. Für den Notfall steht eine Ersatzfrau am "Spielfeldrand" bereit — eine nette ältere Dame, die als Souffleuse enttarnt wird. Das ist beruhigend.

Thomas Krauß ist zufrieden mit seiner Mannschaft — sagt er. Der Ablauf ist bekannt, nur an Details wird noch gefeilt. Einzelszenen fügen sich zusammen, ergeben nach und nach ein stimmiges Puzzle. Kleidung und Perücken färben dieses bunt. Ein Flair der 50er Jahre entsteht.

Nun sind es nur noch die Hauptproben, die auf uns warten: von vorne bis hinten, an einem Stück, mit allem drum und dran, ganz durch. Zwei mal 45 Minuten? Bei vollem Einsatz der Technik? Ich bin gespannt. Von mir aus kann es losgehen. Wir warten auf den Anpfiff - wie die Fußballer. (lcl)


DIE RHEINPFALZ vom 13.05.04

WERKSTATTBESUCH
"Hoch auf dem gelben Wagen"
Die Proben für das Fußballmusical "Die Helden von Bern" laufen auf vollen Touren — Premiere am 15. Mai in Kaiserslautern
Von unserer Mitarbeiterin Alexandra Schmid

Noch schnell werfen einige Darsteller einen Blick in ihre Unterlagen, bevor es mit den Proben zu Bild 43 b los geht, in dem es um einen Tanzabend, ein gemütliches Beisammensein der Spieler mit ihren Frauen geht. Die Statisten, die hier wegen der vielen Rollen auch schon mal Text zu sprechen haben, tun dies wohl aber eher, um ihre leichte Nervosität in den Griff zu bekommen.

Schon vor den ersten Dialogen muss der Regisseur, Pfalztheater-Schauspieldirektor Thomas Krauß, die Mitwirkenden um Ruhe bitten. Aber wenn derart viele Schauspieler zusammenkommen, kann es schon mal laut werden. Denn während beispielsweise Helmut Rahn, gespielt von Thorsten Danner, und seine Frau Gerti die erste Unterhaltung proben und die Serviererin Agnes um Getränkenachschub bitten, warten die anderen in Gruppen zusammenstehend oder -sitzend oder alleine, auf ihren Einsatz, lesen auch schon mal ein Buch, räumen ihre Taschen auf oder überfliegen nochmals ihren Text. Dabei herrscht ein reges Gewusel und ständiges Tuscheln auf der Probenbühne II.

Bereits nach fünf Minuten ist die kurze Szene einmal durchgespielt. Aber jetzt geht es natürlich um die Feinheiten. Krauß, verantwortlich für die Inszenierung des Theaterstückes von Klaus Stawecki und Raymond Tarabay "Die Helden von Bern", wusste bereits vor dieser Inszenierung einiges von dem "Wunder von Bern": von dem berühmten Tor Helmut Rahns, von Spielführer Fritz Walter und den wichtigen Schlagworten, wie "Der Geist von Spiez". "Und natürlich hilft es uns, dass die Autoren des Stückes so gut recherchiert haben. Dazu erscheinen dieses Jahr zahlreiche Neuerscheinungen zu der WM '54, von denen wir einiges zusammentragen."

Horst Eckel, hier von Björn Büchner gespielt, steht allerdings nicht wie beim Film von Sönke Wortmann beratend zur Seite. "Aber Rainer Furch hat sich zum Beispiel mit Bernd Lutzi unterhalten, und Daniel Brockhaus, der Ottmar Walter spielt, wird diesen wahrscheinlich auch noch treffen." Krauß bespricht mit jedem seiner Akteure, von denen auch Rückfragen kommen, deren Rollen und worauf beim nächsten Durchlauf besonders geachtet werden muss. Dabei kümmert er sich insbesondere auch um die Statisten, für die es ungewohnt ist, plötzlich mit erfahrenen und "gelernten" Schauspielern zusammenzuarbeiten: "Aber sie sind auch sehr selbstständig geworden, bringen Vorschläge ein, was anders oder besser gemacht werden könnte. Sie wissen ja, worauf es in dem Stück ankommt."

Dass die Nationalmannschaft aus Spielern der unterschiedlichsten Bundesländer zusammengesetzt ist, merkt der Zuschauer auch an den verschiedenen, zumeist mühsam antrainierten Dialekten. Rainer Furch zum Beispiel, der Fritz Walter höchst persönlich spielt, ist des Pfälzischen mittlerweile ganz gut mächtig. "Es ist wie das Erlernen einer Fremdsprache", sagt er. Auch er ist am heutigen Tag mit Edith Konrath (Italia Walter) bei den Proben.

Die beiden Ehepaare Walter und Rahn führen am Rande des Musikabends im Hotel Belvedere einen etwas hölzernen Small-Talk über die Anfahrt nach Spiez und den Kauf eines Autos. Nachdem dieser kurze Dialog beendet ist, kommt es zum Tanz des Ehepaars Walter, einer romantischen Szene. Unterbrochen werden sie dabei nur kurz von Max Morlock (Thomas Gräßle) und Frau und übrigen Spielern. Es herrscht eine gute, gelöste Stimmung. Es wird viel gelacht bei der Probe, aber noch sind es ja vier Wochen bis zur Premiere am 15. Mai. Krauß sagt, dass sie bis jetzt noch gut im Zeitplan lägen und die Nervosität wohl erst komme, wenn mit der ganzen technischen Ausrüstung ab 3. Mai auf der Bühne im Großen Haus die letzten Proben stattfänden. Geprobt werde an sechs Tagen pro Woche, Montag bis Freitag zwei Mal und samstags. "Es steht also für diese große Produktion die gewöhnliche Probenzeit zur Verfügung - aber bei ,normalen Stücken' haben wir zehn bis 15 Mitwirkende, hier sind es 70. Dabei ist es schwierig, immer alle unter einen Hut zu bekommen, denn die Schauspieler haben ja zum Beispiel abends Vorstellung." Eben diese Schauspieler sind so nah an ihren Rollen dran, dass sie sogar untereinander noch ab und an im Dialekt sprechen.

Beim abermaligen Durchspielen der verschiedenen Szenen beobachtet Krauß nervös das Erprobte, er muss schon mal an den Fingernägeln kauen, wild gestikulierend, aber auch schmunzelnd. Man spürt, dass es allen Beteiligten sichtlich Spaß macht, in diesem Stück mitzuwirken, in dem vor allem die Männer ihrer Fußballleidenschaft frönen dürfen. Da kommt schon mal das Kind im Manne hervor. Bei den letzten Regieanweisungen für diese Szene lümmelt sich Thorsten Danner alias Helmut Rahn, der übrigens "reinsten Pott" sprechen kann, auf einem der großen Ledersessel, aber vielleicht macht er auch nur gymnastische Übungen, um fit zu bleiben für das große Spiel.

Bereits nach einer Stunde sind die Proben für dieses Szene zu Ende. Doch schon steht mit vielen neuen Schauspielern das nächste von mehreren Bildern an, das an diesem Morgen noch geprobt wird. Darin geht es um den "Einzug" der deutschen Nationalmannschaft ins Hotel am Thuner See, dargestellt von zehn Schauspielern und zwölf Statisten, allesamt mit Koffern bewaffnet. Es geht unter anderem um die Zimmervergabe durch Sepp Herberger, gespielt von Reinhard Karow, um die Spieleraufstellung und Mannschaftsfotos. Um den Bezug zu Deutschland herzustellen, summen alle "Hoch auf dem gelben Wagen"...

Dass Thomas Krauß selbst großer Fußball-Fan und insbesondere des 1. FCK ist, merkt man seinem Enthusiasmus während der Proben an. "Wenn es mir die Zeit erlaubt, gehe ich ins Stadion, um die Spiele live zu sehen. Ansonsten verfolge ich sie im Fernsehen oder im Radio. Und natürlich leide ich im Moment mit und hoffe, dass die Mannschaft in der ersten Liga bleibt."


RHEINZEITUNG vom 08.05.04


Theater um die Helden von Bern
Von Gabi Novak-Oster

Vergessen waren die Helden von Bern nie, zurzeit aber spricht man besonders oft über sie. 50 Jahre nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft machte ein Film Furore, nun kommt das Ereignis auf die Bühne: "Die Helden von Bern". Die Welturaufführung findet am 15. Mai im Pfalztheater Kaiserslautern statt. Der in Neuwied geborene Rainer Furch spielt Fritz Walter.

Das Ende ist kein Geheimnis: Deutschland wurde am 4. Juli 1954 Weltmeister, hatte die Ungarn sensationell mit 3:2 besiegt. Die alten Wochenschauen, immer wieder gerne gesehen, wurden zur Fußball-WM 1998 hervorgeholt - und sie faszinierten auch den Berliner Drehbuchautor Klaus Stawecki. "Das schien mir der Stoff für einen großen Film zu sein, der einmal einen positiv belegten Aspekt der deutschen Geschichte erzählen könnte", erinnert sich der heute 38-Jährige an seine Reaktion. Gemeinsam mit seinem Partner Raymond Tarabay begann der Berliner mit den Recherchen und entwickelte ein Drehbuch. "Da tauchte plötzlich am Markt ein stärkeres Konkurrenzprojekt auf." Abpfiff aus der Traum vom Film. Die Ideen aber blieben - und endeten in einem Schauspiel, aus dem der Fischer-Verlag ein Buch machte. Eine Steilvorlage fürs Theater. In Kaiserslautern wird sie aufgenommen, und so gibt es im WM-Jubiläumsjahr auf der Bühne des Pfalztheaters ein Wiedersehen mit den Brüdern Fritz und Ottmar Walter, mit Sepp Herberger, Helmut Rahn und vielen anderen.

Vor und hinter den Kulissen hartes Training für die Welturaufführung. Wo immer man hinhört, wird von einer "besonderen Herausforderung" gesprochen. Blick in die Kabine von Ausstattungsleiter Thomas Dörfler. Seit mehr als einem Jahr befasst sich der 37-Jährige mit der Thematik, jetzt sind die Bühnenbilderfertig und warten auf ihren Einsatz. Der Laie fragt sich natürlich: Wie kriegt man ein Fußballfeld auf die Bühne? In seinem Büro erklärt Dörfler an Modellen seine Taktik. Er lässt die Zuschauer durch ein knapp 13 Meter breites Tor blicken. Wo immer die Szenen spielen, ein grünes Linoleumfeld bleibt als Grundbild. Wegen der "50er-Jahre-Ästhetik" hat sich Thomas Dörfler bewusst gegen Kunstrasen entschieden und für Linoleum. Das Feld verjüngt sich in der Bühnentiefe und verläuft schließlich gen Himmel im Unendlichen. "Symbolhaft für den langen Weg zum Titel."

Bei mehr als 30 Schauplätzen brauchte der Ausstattungsleiter Ausdauer. Doch Thomas Dörfler bleibt gelassen: "Auch der ,Faust' hat 25 Bilder." Die karge Umkleidekabine der "Helden von Bern" wird aus der Unterbühne hochgefahren, die Hotels kommen von der Seite. In der Kneipe "Walter-Eck" versammeln sich die Fans aus der Pfalz, und vor dem Fernseher im Schaufenster eines Geschäftes drückt sich eine Menschentraube die Nasen platt. Beim Wohnzimmer der Walters hat sich der Ausstattungsleiter mit zwei Sitzmöbeln und einer Kommode für eine "bürgerliche Variante" entschieden, will die "Fuffis" aber auch nicht überstrapazieren. In diesem Zimmer wartet Italia auf die Rückkehr ihres Mannes Fritz von einem Testländerspiel. Zwei Hintergrundbilder rücken das (Theater-)Publikum an den richtigen Platz: Das Jungfrau-Massiv dokumentiert die Schweiz, ein Foto von Kaiserslautern mit der Stiftskirche die triste Nachkriegssituation.

Die Welturaufführung hat sich in der Pfalz schnell herumgesprochen. Thomas Dörfler zeigt ein historisches Foto von der Heimkehr der "echten" Helden. "Das Foto ist mir auf der Straße zugesteckt worden." Die Arbeit der Theaterleute steht unter ständiger Beobachtung. "Wir wissen, dass wir es nicht jedem recht machen werden. Aber wir wollen ja Theater spielen." Dörfler ist als gebürtiger Münchner natürlich Fan eines bayerischen Vereins, bekennt als Wahl-Kaiserslauterer: "Mit dem Abstiegsschlamassel identifiziert man sich. Vor dem Anpfiff der Begegnung zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Wolfsburg werden am heutigen Samstag auf dem Betzenberg die 54er-Endspielteams von Deutschland und Ungarn auflaufen. Sympathiebeweis für die Pfälzer und Werbung in eigener Sache - für das Bühnen-Schauspiel. Vor einer Rekordkulisse lässt Regisseur Thomas Krauß seine Mannschaft warmlaufen. Noch eine Woche bis zur Premiere. Bis zu einer außergewöhnlichen auch für Krauß, der seit zwei Jahren Schauspieldirektor am Pfalztheater ist.

Wir treffen Thomas Krauß und Rainer Furch, den Fritz Walter, in der Kantine des Theaters beim "Pausentee". Natürlich ist die Uraufführung der "Helden von Bern" für den Regisseur "eine besondere Inszenierung". Nicht nur, weil es um die Leidenschaft Fußball geht, die er in der BJugend aktiv teilte und seither als Fan und Freizeit-Kicker. "Es ist ein Stück über die Geschichte des Landes und über Figuren, die jeder kennt und in Kaiserslautern sogar persönlich." Den Fritz bis zu seinem Tod vor zwei Jahren, Ottmar Walter und Horst Eckel noch heute.

50 Jahre nach dem Endspielsieg über Ungarn schreibt das Ereignis wieder Schlagzeilen, Zum Beispiel mit Sönke Wortmanns Film "Das Wunder von Bern". Den Vergleich fürchtet Thomas Krauß nicht. "Das Buch unseres Stückes ist. zwar filmisch geschrieben, wird aber mit den Möglichkeiten des Theaters
auf die Bühne gebracht." Mit realen Elementen und fiktiven Ergänzungen - der Regisseur spielt mit seinen dramaturgischen Freiheiten.

So, wie es bereits das Autoren-Duo Stawecki/Tarabay getan hat: Recherchelücken - "das Füllen der dramaturgischen Hohlräume", wie Stawecki formuliert - wurden durch Erfundenes geschlossen. Und das ist der Anfang der Geschichte: Drei Monate vor der Weltmeisterschaft steckt Fritz Walter in einer Krise. Er fühlt sich unter Druck gesetzt, auch durch die Debatte um sein Alter. Seine Frau Italia hat Mühe, eine Depression von Fritz abzuwenden. Der Kapitän will die Weltmeisterschaft schon absagen. Doch sein Vater Ludwig hat eigens für das Ereignis ein Fernsehgerät gekauft, um den Absatz seiner Wirtschaft anzukurbeln und den drohenden Bankrott abzuwenden. Und so muss Fritz als Idol der "Lauterer" seinen Rücktritt verschieben.

Fritz Walter, der geniale Fußballer - aber auch der Sohn, der Ehemann, das Idol. Eine reizvolle Aufgabe für den Schauspieler Rainer Furch (39). "Wenn man eine Legende spielen darf, deren Geschichte man vor Augen hat und über die man in der Stadt stolpert, dann ist das schon etwas Besonderes." Furch, in Neuwied geboren und in Kirn aufgewachsen, hat Fritz Walter als "tolle Persönlichkeit" in Erinnerung. "Aber ist er wirklich ein Held ohne Makel? Wo hatte er seine Ängste? Freunde wissen, dass er sensibel und abergläubisch war." Das Stück sucht das Menschliche und auch andere Seiten des Fritz Walter.

"Die Helden von Bern" ist kein dokumentarisches Schauspiel. Nicht Fußballer, sondern Persönlichkeiten stehen im Mittelpunkt. Alltagsgeschichten abseits des Fußballplatzes und lange vor Bern. Nur ein einziges Mal wird der Lederball auf der Bühne zu sehen sein. "Die spielerische Arbeit darf nicht zu kurz kommen", sagt Rainer Furch - das Theater-Spiel. "Viele Stränge werden parallel erzählt. Das Stück ist wie ein Puzzle, es lebt von der Schnelligkeit: Schnitt, Schnitt, Schnitt." 70 Akteure, viele von ihnen in Doppelrollen, werden gefordert. "Theater muss wie Fußball sein -genau so dramatisch", meint Furch. Also alles "nur" Theater? Natürlich nicht. Am Ende wird im Stück die Original-Bern-Szene zum 3:2-Sieg eingeblendet.

50 Jahre später auf der Bühne der Realität: Die Schauspieler zittern mit den "Roten Teufeln". Ein Drama.


 

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